Die strategischen Gründe für die Niederlage von 1940


Die Stärke der französischen Armee 1940 :
Im September 1939 zählte die französische Armee nach der Mobilmachung 5.782.000 Soldaten. Die kämpfenden Einheiten umfassten 2.680.000 Mann. Im Mutterland waren die Streitkräfte wie folgt verteilt: 2.224.000 Soldaten an der Nordostfront, 182.000 an der Südostfront(Alpen).

Die Verteilung der Streitkräfte :
Im Mai 1940 waren die französischen Armeen auf 4 Kriegsschauplätze verteilt, diese waren:
- der Nord-Osten (General Georges)
- der Südosten (General Orly)
- Nordafrika (General Noguès)
- der Mittlere Osten (General Weygand)

Die Befehlsstruktur :
Ein Oberbefehlshaber über alle Armeen existierte nicht. General Gamelin war der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte. Als Chef des Generalstabs der Défense Nationale, leitete er die Koordination der Unternehmungen der Generalstäbe der drei Armeen: Luftwaffe, Heer und Marine.
Der wichtigste Kriegsschauplatz im Nordosten wurde im Norden von der Nordsee und im Süden vom Faucille-Pass im Jura begrenzt. General Georges hatte seine Streitkräfte zu acht Armeekorps gruppiert.
Drei Armeekorps stimmten das Vorgehen auf einander ab:
- Die erste Heeresgruppe unter General Billotte
- Die zweite Heeresgruppe unter General Prételat
- Die dritte Heeresgruppe unter General Besson

Die Organisation der französischen Armee :
Die kämpfenden Truppen gliederten sich in:
- 67 Infanterie-Divisionen
- 5 leichte Kavalleriedivisionen
- 4 Kavalleriebrigaden
- 3 leichte motorisierte Divisionen
- 3 gepanzerte Reservedivisionen (eine davon in Ausbildung)

Die Hauptwiderstandslinie, die Maginot-Linie, beanspruchte 5 Infanterie-Divisionen für die Festungswerke, dahinter waren die Infanterie-Divisionen, die der Verstärkung dienten, stationiert.
Zu diesen französischen Einheiten müssen noch das britische Expeditionskorps (BEF - British Expeditionary Force) und eine polnische Infanterie Division dazu gezählt werden. Unter den Infanterie-Divisionen bestanden nur 31 aus aktiven Soldaten. Die anderen großen Infanterieverbände waren von der Serie „A“ (20 Divisionen) oder der Serie „B“ (16 Divisionen)
Die Formationen der Serie A hatten einen aktiven Kern und ihre Ausrüstung war mit der, der aktiven Divisionen vergleichbar. Die Einheiten der Serie B dagegen waren schlecht ausgebildet, zusammengestellt aus den ältesten Soldaten der ersten Reserve, es fehlte ihnen an Führungskräften, Mobilität und Training. Ihre Bewaffnung war größtenteils unvollständig oder veraltet.

Strukturierung der Nordostfront :
General Georges kommandierte eine bemerkenswerte Masse von Soldaten, deren Wert und vor allem Motivation sehr unausgeglichen waren.
Die erste Heeresgruppe:
Den linken Flügel der Nordostfront bildete die fünf Korps starke Heeresgruppe I unter General Billotte.
Sein Einsatzbereich erstreckte sich von der Nordsee bis Longuyon. Insgesamt 350 km Frontlinie waren in zwei sehr unterschiedliche geographische Sektoren aufgeteilt: die große Ebene des Nordens und Belgiens, sowie der Ardennenwald und die schroffe Hügellandschaft der Meuse.

Die erste Heeresgruppe umfasste von Westen bis Osten :

- Die VII. Armee General Girauds, eine der mobilsten, zusammengesetzt aus 6 Infanterie-Divisionen (davon 2 motorisiert) und einer Division Légère Mécanique. Ihr Sektor ging von der Nordsee bis zum Mont des Flandres.
- Das BEF. (Lord Gort) vom Mont des Cats bis zur Scarpe, mit 10 Infanterie-Divisionen und zwei Aufklärungsbrigaden.
- Die I. Armee General Blanchard) welche als stärkste Truppe angesehen wurde. Sie bestand aus 8 Infanterie-Divisionen (davon 2 motorisiert) und einem Kavalleriekorps, das aus 2 Division Légère Mécanique bestand. Sie hielt einen Sektor von der Scarpe bis zum Wald von Trélon.
- Die IX. Armee (General Corap) bestehend aus 5 Infanterie-Divisionen, einer Kavalleriebrigade und zwei leichten Kavalleriedivisionen. Sie hält den Sektor von Trélon bis zum Vallée de la Bar.
- Die II. Armee (General Huntziger), gebildet aus 5 Infanterie-Divisionen, 2 leichten Kavalleriedivisionen und einer Kavalleriebrigade. Ihr Sektor umfasste den Sektor des Vallée de la Bar bis Longuyon.

Die zweite Heeresgruppe :
Die Zweite Heeresgruppe unter General Prételat hielt die Maginot-Linie von Longuyon bis Sélestat. Sie umfasste drei Armeen.
Diese Truppe stellte neben der 3. D.L.C. und der 1. Brigade de Saphis, nicht weniger als 23 Infanterie- Divisionen.

Die dritte Heeresgruppe:
Die dritte Heeresgruppe unter General Besson hielt am Rhein, der ganzen Front von Sélestat bis Pontarlier, Wache.
Zu ihr gehörten die VIII. Armee (General Garchery) und das 45. Corps d'armée de forteresse (General Daille)

Bilanz der Verteilung der Streitkräfte :
Der statische Seite der Verteidigung umfasste 33 große Einheiten. Dazu kommen die Truppen, die man den befestigten Sektoren zur Verfügung gestellt hatte (8 Infanterie-Divisionen zur Befestigung), so dass man insgesamt 41 große statische Einheiten zählt.
Die Reserven des großen Hauptquartiers verteilten sich wie folgt:
Für die Kampfhandlungen in Belgien waren 3 motorisierte Infanterie-Divisionen als Reserve vorgesehen. Tatsächlich war dieser Truppenteil schon fast vollständig in die Armee integriert
- 2 gepanzerte Reservedivisionen, eine koloniale Infanterie-Division im Bereich der II. Armee
- 2 gepanzerte Divisionen, die im Südwesten von Saint-Dizier stationiert waren
- 3 Infanterie-Divisionen im Rücken der III. Armee
- 2 Infanterie-Divisionen im Sektor der IV. Armee
- 1 nordafrikanische Infanterie-Division als Reserve für eine Intervention in der Schweiz 
- 2 Infanterie-Divisionen aus den Kolonien, die noch im Prozess der Aufstellung begriffen waren
- 3 Infanterie-Divisionen als Reserve für die Alpenarmee

Der Auftakt einer Katastrophe :
4 Operationsfelder waren eingeplant:
eine Frontalattacke auf die Maginot-Linie im Nordosten
eine Frontalattacke auf die ML im Südosten
die Umgehung der ML über Belgien
sowie die Umgehung der ML über die Schweiz

Jedoch gilt festzustellen, dass man, egal welcher Fall auch eintreffe, 41 große Einheiten hinter der Maginot-Linie zulasten der Reserven festgesetzt hatte. Dies geschah im völligen Widerspruch zum Grundprinzip der Befestigungsstrategie, das auf einer Haushaltung mit den Kräften beruht.
Die mageren, hinter der Front verstreuten Reservestreitkräfte, die zudem wenig strukturiert und nicht zu einem ernsthaften Widerstand fähig waren, hatten keinerlei Chance, den Ansturm der deutschen Panzerdivisionen aufzuhalten.
Die Reservekräfte, über die Gamelin zur Zeit des deutschen Durchbruchs über die Meuse verfügte, wurden schließlich vorschnell und zu sporadisch in die Schlacht geworfen, so dass sie, so tapfer ihr Widerstand auch gewesen sein mag, von der Wehrmacht überrollt wurden. Am 16. Mai schließlich die traurige Folge dieser Ereignisse: die Nordostfront verfügte über keine einzige Reserveeinheit mehr.
Ab dem 16. Mai 1940, war die französische Heeresführung nicht mehr in der Lage die Initiative zu ergreifen.
Infolge der großen, von den statischen Armeekorps absorbierten, Mittel, zählte das Manöver der Alliierten in Belgien nicht mehr als 48 große Einheiten. 59 andere waren hingegen entweder als Reserve eingeteilt oder wurden außerhalb des Hauptschlachtfeldes für defensive Missionen zur Gebietsverteidigung genutzt.

Schlußfolgerung:
Die Niederlage von Mai/Juni des Jahres 1940 beruht auf den folgenden Umständen:
Die französische Armee war unfähig, angemessen auf die deutsche Armee, welche die Kunst eines dynamischen Manövers perfektionierte, zu reagieren
In der französischen Armee bestand keinerlei Absprache zwischen der Panzerwaffe, der Infanterie und der Luftwaffe. Wohingegen die Deutschen diese drei Armeen in bemerkenswerter Weise koordinierten
Indem die Franzosen ihre Armee fächerförmig hinter der Maginot-Linie positionierten, haben sie sich jeglichen Zugriff auf strategische Reserven verbaut (die z.B. die Russen in der Schlacht von Kursk im Juni/Juli 1943 zu ihrem Vorteil nutzten)

Indirekt war die Maginot-Linie an dieser Niederlage beteiligt, da sich ihre tatsächliche Realisierung deutlich von der ursprünglichen Planung unterschied. So wollte man zunächst im Nordosten zwei befestigte Abschnitte (Lauter und Metz) anlegen, doch dann setzte sich der Wunsch durch die gesamte Grenze von der Schweiz bis zur Nordsee zu befestigen.
Diese beiden Regionen hatten unglaubliche Geldmengen verschlungen, so dass man dann auf weniger hochwertige, aber billigere, Festungswerke zurückgriff, die großen Bedarf an Truppen in den freien Anschnitten hatten, um wenigstens etwas Widerstand leisten zu können. Deshalb mobilisierte man 41 große Einheiten hinter der Maginot-Linie, jedoch zulasten der später benötigten Reserven. So erscheint es wenig überraschend, dass gerade ein Teil dieser untauglichen Befestigung bei Sedan durchbrochen werden konnte.

BG/20-12-08


- zurück